Am 1. April 1822 wütete ein verheerender Brand im Ortsgebiet des heutigen Gaweinstal. Neben der Brandschatzung der Ortschaft durch die Schweden im Jahr 1645 war diese Brandkatastrophe wohl eine der schwersten Prüfungen für die Bewohner von Gaunersdorf. Begünstigt durch starken Wind, breitete sich der in einem Kleinhäusel entstandene Brand binnen Stunden auf Markt, Aigen und Wieden Gaunersdorf aus. Alle drei Ortschaften brannten fast zur Gänze nieder und sogar Kollnbrunn und Pirawarth entgingen nur knapp dieser Feuersbrunst.
Die Merk-Lehr Chronik berichtet über diesen Brand:
... ist am 1. April in dem marktrischen Kleinhäusel Nr. 120 um 3/4 auf 12 Uhr mittags bei einem fürchterlichen Sturmwind ein Feuer ausgebrochen, sodaß ganz Aigen, Wieden und der Markt Gaunersdorf samt Kirche und Schule binnen drei Stunden ein Raub der Flammen wurde. Vom Markt hatte sich nicht mehr erhalten, als an der Seite von Wien gegen Brünn zu vom Haus Nr. 48 bis an das Ende des Marktes zu, und das ist die rechte Seite, wie folgt, da hat sich erhalten von Haus Nr. 25 bis an das Ende des Marktes zu.
Dieser Brand soll so verheerend gewesen sein, daß bei dem fürchterlichen Sturmwind selbst Kollnbrunn und Pirawarth in Gefahr waren. Viele Familien sind licht ausgebrannt und ging vieles Vieh und Geräte zugrunde. Mithin wie gesagt war selber Brand ein verheerender zu nennen. Selber Tag war sehr kalt und der Sturmwind wütete bis in die Nacht hinein. Der Kirchturm und Pfarrhof sind unversehrt geblieben, so wie die drei Mühlen und Ledererhaus Nr. 50. Es wurde alsogleich in Wien eine Sammlung angestiftet für die verunglückten Gaunersdorfer. Sollen, wie gesagt, viele tausend Gulden hieher gesendet worden sein für die notleidenen, an Mittel fehlenden Bewohner. Aber es ging bei diesen Spenden so her, daß den Beamten, welche man nicht nennen will, bei der Verteilung das meiste blieb. Jedoch baute sich Gaunersdorf wieder so her, daß es viel schöner als zuvor war.
Der Brandleger war ein elfjähriger Knabe von dem früher benannten Kleinhäusel Nr.120, welcher im Verdruß mit seiner älteren Schwester wegen des 1. April ihr eigenes Kleinhäusel mit Brand belegte....
Der im Bericht genannte Knabe hieß Paul G. und wurde 1812 als Sohn des Mathias G. und seiner Frau Anna Maria geboren. Im Jahr 1815, als Paul gerade einmal drei Jahre alt ist, verstirbt seine damals 39jährige Mutter Anna Maria vermutlich an den Folgen einer Totgeburt. Vater Mathias, damals 35jährig heiratet Anfang 1816 die 30jährige Katharina Holler, Tochter des Ignaz Holler aus Aigen Gaunersdorf.
Folgende Geschwister konnten ausfindig gemacht werden:
Anna Maria | geb. 1807 |
Barbara | geb. 1809 |
tot geboren | 1815 |
Andreas | geb. 1816; gest.1819 |
Theresia | geb. 1818 |
Mathias | geb. 1821 |
Johanna | geb. 1823 |
Katharina | geb. 1826 |
Im Jahr 1835 verkauft Mathias G. das Kleinhäusl Markt 120. (Grundbuch Markt Gaunersdorf - Quelle: Landesarchiv NÖ - Archivdepot, Bad Pirawarth)
Wahrscheinlich dürfte ein Aprilscherz, der einer seiner älteren Schwester gegolten hat, außer Kontrolle geraten sein. Folgt man dem Bericht von Eduard Lehrl kann es sich bei der
genannten Schwestern sowohl um Anna Maria wie auch um Barbara gehandelt haben.
Das gelegte Feuer entzündete das Haus der Familie G. (am heutigen Kirchfeldplatz) und der starke Wind erledigte den Rest. In der Wiener Zeitung vom 3. April 1822 ist das Wetter des 1. April gut dokumentiert.
![]() |
Ausgabe der Wiener Zeitung vom 03. April 1822 Die Wettervehältnisse am 01. April 1822 zeigen den ganzen Tag starken Wind von N.N.W bzw. N.W. Erst gegen Abend schwächt der Wind ab. Quelle: Österr. Nationalbibliothek |
Binnen Stunden stand fast die komplette Ortschaft südlich und östlich des Kirchfeldes in Flammen, wohl auch deswegen weil eine Feuerwehr im heutigen Sinne noch nicht zur Verfügung stand. Bereits 2 Jahre später legte selber Knabe nochmals Feuer in Gaunersdorf aber nähere Umstände darüber sind derzeit noch nicht bekannt. Das gelegte Feuer dürfte diesmal allerdings schnell unter Kontrolle gebracht worden sein, unter anderem da nach der Brandkatastrophe von 1822 die meisten Häuser mit Schindeln oder Ziegeln gedeckt wurden.
Eduard Lehrl berichtet in der Chronik, dass Paul G. in späteren Jahren in Wolfpassing verhaftet wurde und neben anderen kriminellen Aktivitäten auch die Brandstiftung 1822 und 1824 gestanden hat. Es wurde ihm im Februar 1829 im Landgericht Niederkreuzstetten der Prozess gemacht wobei die Anklagepunkte auf Diebstahl, Betrug und Brandlegung lauteten.
....ist aber in späteren Jahre der Knabe durch Ausgeben falscher Briefe in Wolfpassing im Pfarrhof ergriffen worden und so der Behörde übergeben worden. Er legte für alles sein Geständnis baldigst ab, wie auch die Brandlegung von Gaunersdorf anno 1822.
Das Urteil lautete auf 5 Jahre schwere Kerkerhaft, jedoch nur aufgrund der § 153 und §154 II. a.c. welche den schweren Diebstahl betreffen während die Brandlegung nur unter Hinweis auf den § 2 (Strafunmündigkeit) im Sinne einer Schadensersatzzahlung erwähnt wird. Das Gericht erkannte, dass Paul G. Entschädigungszahlungen zu leisten hat und zwar nicht nur an die Einwohner von Gaunersdorf sondern auch gegenüber seinen anderen Opfern, die er wahrscheinlich betrogen und/oder bestohlen hatte. Den Bürgern von Gaunersdorf wurde vom Gericht für den Brand 1822 ein Schadenersatz von 161.454 Gulden Wiener Währung (ca. 3 Mio. €) und für den Brand 1824 ein Betrag von 2670 Gulden Conventionsmünze (ca. 131.000 €) zugestanden. Es dürfte sich dabei aber lediglich um einen Formalakt gehandelt haben da diese Summen sicher nicht einbringlich waren.
Paul G. wurde nach dem Urteil im August 1829 in das Strafhaus in Wien Leopoldstadt überstellt welches Ende Februar 1830, verursacht durch einen Eisstoß auf der Donau überschwemmt wurde.
Dies wird auch in der Merk-Lehrl Chronik angeführt:
Er wurde nach seinem Urteil in das Zuchthaus nach Wien überliefert, wo er im Jahre 1830 bei der großen Überschwemmung bei dem Eisstoß im Kerker in der Nacht seinen Tod durch Ertrinken fand.
Entgegen dem Bericht der Chronik überlebte er aber diese Überschwemmung. Paul G. starb am 15. März 1830 im genannten Gefängnis (Leopoldstadt Nr. 231) an Typhus.
Das NÖ. Provinzstrafgefangenenhaus stand auf dem heutigen Karmeliterplatz im 2. Wiener Gemeindebezirk.
Die Wiener Zeitung vermerkt dazu:
![]() |
Todesanzeige Ausgabe der Wiener Zeitung vom 20.3.1830 - Paul G., alt 17 Jahr, am Nervenfieber, in der Leopoldstadt Nr.231- Quelle: Österr. Nationalbibliothek |
Diese Information wurde auch im Stadtarchiv der Gemeinde Wien geprüft. Dort findet sich der Eintrag in den Totenbeschauprotokollen wie folgt:
G. Paul ledig in Öster geb. Leopldstat im kk Prov. Strafhs Nervenfieber 17 Jh |
Nun könnte man meinen, dass das Totenbeschuprotokoll nur deswegen so spartanisch ausgefallen ist weil es sich um einen Strafgefangenen handelte. Dem ist aber nicht so, auch andere Einträge in diesen Protokollen enthalten nicht wesentlich mehr Information. |
Wenden wir uns nun dem Urteil zu, welches am 22. August 1829, im Kriminalgericht Kreutzstetten gesprochen wurde.
![]() |
Urkunde aus dem Nö Landesarchiv, St. Pölten. Quelle: Landesarchiv St. Pölten |
Urtheil Von dem Criminalgerichte der Herrschaft Kreutzstetten V.U.M.B. (*): mit Bezug auf den §.2.des I.Th.ST.G.B.
|
In der Scheicherstraße von Gaweinstal erinnert heute ein Bildstock an die Katastrophe von 1822. Das Annadenkmal.
![]() |
![]() |
![]() |
Quelle: www.chronik-gaweinstal.net |